Erfahrungen mit dem Reiterbogen

Öfter mal was Neues heisst es ja so schön und so sind Armin und ich zur Überzeugung gelangt neben seinem Recurve bzw. meinem (modernen) Langbogen auch mal was "rustikaleres" zu probieren. Kurz entschlossen haben wir uns also Reiterbögen zugelegt. Armin hat seinen Bogen auf einem Mittelaltermarkt in Weissenstein gekauft - leider war hier nur wenig Rückfrage möglich, da der Verkäufer nur ungarisch und etwas englisch sprach. Aber man wurde sich handelseinig und Armin trug stolz einen 45lbs Bogen im mongolischen Stil nach Hause.

Hier beschreibt Armin seinen Reiterbogen etwas detaillierter.

Nach dem ersten Testschiessen mit Armins Exemplar war schnell für mich klar - das Bogenschützenleben macht ohne Reiterbogen keinen Sinn! Also habe ich mir ebenfalls einen Bogen im mongolischen Stil besorgt, in meinem Fall das Modell "Wolf 2" von Kassai. Da ich seit meiner Zeit als Sportschütze mit dem "Magnumitis-Virus" infiziert bin, stellte es für mich noch dazu die Gelegenheit dar das Zuggewicht etwas zu erhöhen und so orderte ich nachdem mein Langbogen ja schon 50lbs hatte diesen Kassaibogen nun mit 60lbs. Aber wenn man sich nicht richtig informiert, ist man selber Schuld wenn man nicht das erhält was man erwartet! Beim Testbogentag des Kunsthof Binder lies ich das Zuggewicht meines Reiterbogens messen und war enttäuscht, dass dieser bei 28 Zoll Auszug nur auf 52 lbs kam. Schon ein kurzes nachlesen in den gängigen Foren im Internet brachte allerdings des Rätsels Lösung: Kassai gibt die Pfundstärke seiner Bögen nicht bei 28" sondern bei 30" an, da dieser Auszug dem beim berittenen Bogenschiessen (bei dem ja eher vor die Brust ausgezogen wird) eher entspricht.

Und noch standen wir vor dem nächsten Problem: Welcher Spinewert passt denn nun zu einem Reiterbogen ohne Schussfenster?

In den gängigen Tabellen ist nur Selfbow, Recurve oder Langbogen zu finden, nach einer Orientierung an Bögen ohne Schussfenster sollte der benötigte Spine wohl eigentlich geringer sein als die Zugstärke des Bogens; Aussagen in den gängigen Foren raten wiederum zu 10 bis 15 lbs höherem Spinewert der Schäfte. Zum Glück hatten wir von unseren ersten Bögen bzw. ich natürlich noch vom Langbogen einige Schäfte übrig um uns an das Thema ranzutasten. Da wir uns allerdings trotz einem knappen Jahr Erfahrungen im Bogenschiessen noch eher im Anfängerwissens-Stadium ansiedeln waren wir recht froh, dass wir beim Kunsthof Binder mal praktisch über die Schulter schauen lassen konnten. Unser Wissen bezüglich Pfeilflug und der Unterscheidung welche Abweichung denn nun vom falschen Spine oder vom evtl. falschen Nockpunkt herrührten war bis dahin noch rein theoretisch durch Bücher und Internet entstanden. Bei Recurve und Langbogen, sowie Carbon oder Aluminium als Schaftmaterial hat man es entsprechend einfacher da hier sehr gute Tabellen und Online Tools der Hersteller zur Verfügung stehen.

Mit der dortigen Hilfe war dann der passende Spine gefunden. Und wenn schon Reiterbögen, dann sollen die natürlich dazu genutzt werden etwas weniger Modernes als Carbon oder Aluminium zu werfen. Also zurück zum Holzschaft von dem wir uns eigentlich schon etwas wegen seiner "Bruchfreude" verabschiedet haben. Und damit nicht genug waren wir schliesslich noch der Auffassung auch die so schön flott angebrachten Plastiknocken passen nicht so recht auf einem (wenn auch modern mit Fiberglas belegten) Reiterbogen, der einem mit seiner Form und Lederumhüllung doch eher eine Waffe aus dem Mittelalter oder der Völkerwanderungszeit vorgaukelt. Ergo blieb nur eine Lösung: Es müssen Selfnocken gesägt und die Befiederung natürlich noch gewickelt werden um den Anschein in dieser Weise zu wahren. Der Bastelaufwand ist also etwas gestiegen, was mir aber als interessante Freizeitbeschäftigung (mittlerweile) gerade recht ist und Armin hat uns nun auch mal einen Spinetester für das Vorhaben konstruiert.

Trotz fehlendem Bogenfenster hat der Reiterbogen für mich auf Anhieb eine erstaunliche Treffgenauigkeit und wirft die Pfeile natürlich durch seine Bauart auch flotter als ein Langbogen - wobei der Kassaibogen an sich eine sehr dünne Griffpartie hat, die hier dem Zielen bestimmt zuträglich ist.

Tom